Ein Kommentar zum Interview mit Julia Klöckner – Von Andreas Breitkopf
Wenn sich führende Politikerinnen zur Rolle der Kirche äußern, lohnt sich genaues Hinhören – erst recht, wenn es dabei nicht um wohlfeile Floskeln, sondern um ernsthafte Impulse geht. Julia Klöckner, seit Kurzem Bundestagspräsidentin, hat im Interview mit DOMRADIO.DE bemerkenswert deutliche Worte gefunden, die ich – trotz mancher persönlicher Erfahrungen mit kirchlicher Einmischung – in weiten Teilen teile.
Sie fordert, dass die Kirche sich auf ihre ethisch-moralische Kraft besinnt und gerade bei grundlegenden Fragen des Lebens, der Menschenwürde oder der Bioethik ihre Stimme erhebt. Nicht zu allem müsse sie etwas sagen, so Klöckner, aber dort, wo es um Grundsatzfragen geht, sollte sie klar und unüberhörbar sein.
Weniger NGO, mehr Evangelium
Ich finde diesen Gedanken hochrelevant – und aus der Sicht eines langjährigen Beobachters kirchlicher Kommunikation auch überfällig. Denn allzu oft habe ich – auch in meinem eigenen Umfeld – erlebt, dass kirchliche Vertreter sich in politische Debatten begeben, in denen ihre Stimme kaum unterscheidbar ist von anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Gut gemeint, sicher – aber nicht selten auf Kosten der eigentlichen Botschaft.
Ich erinnere mich an Gespräche in kirchlichen Kontexten, bei denen es mehr um politische Programme als um geistliche Orientierung ging. Das mag modern erscheinen – aber es schwächt langfristig die Glaubwürdigkeit. Kirche sollte nicht parteilich sein, sondern prophetisch. Nicht beliebig, sondern bewusst anders.
Glaubwürdigkeit entsteht durch Konzentration
Klöckners Aussage, die Kirche solle sich „nicht zu jedem Thema äußern“, ist dabei kein Ruf zur politischen Enthaltsamkeit. Vielmehr ist es ein Plädoyer für Fokus. Dort, wo die Kirche wirklich etwas beizutragen hat – mit ihrer Perspektive auf den Menschen, mit der Würde jedes Einzelnen im Blick –, dort sollte sie laut werden. Und dafür braucht es eben auch den Mut zur Lücke an anderer Stelle.
Diese Einsicht kommt nicht nur aus dem politischen Raum, sondern deckt sich mit dem, was viele Gläubige empfinden: Sehnsucht nach Tiefe, nach Klarheit, nach etwas, das bleibt – jenseits des Getöses der Tagespolitik.
Mein Fazit: Rückbesinnung als Fortschritt
Ich wünsche mir eine Kirche, die in den zentralen Fragen des Menschseins spricht – und sich traut, dort zu schweigen, wo sie nicht gebraucht wird. Die Stimme der Kirche wird umso stärker, je klarer ihr Auftrag wahrgenommen wird: das Evangelium in die Zeit zu sprechen, nicht die Schlagzeilen zu kommentieren.
Julia Klöckners Interview ist deshalb nicht nur ein politisches Statement – sondern eine Einladung zur Selbstvergewisserung. Für die Kirche. Und für alle, die sie im besten Sinne ernst nehmen wollen.